Gedankenstrom

Ich wache auf.

Meine Lider fühlen sich schwer an, als wären sie mit Zement vollgesogen.

Ich versuche sie zu öffnen, doch verweile noch einen weiteren Moment in der Dunkelheit.

Nur noch eine Sekunde.

Meine Gedanken kehren zu mir zurück und befallen meinen Kopf.

War all das nur ein Traum?

Ein böser Geist, der mir einen Streich spielen wollte?

Ich spüre die Intensität meiner Erinnerungen und merke wie meine Hände beginnen zu zittern.

Der Traum ist real.

Ich zähle bis zehn. 10: Ich rufe mir die letzten Jahre in meinen Kopf. Versagen macht sich breit.

9: Ich erspähe einen flüchtigen Gedanken und versuche ihn zu greifen. Der Gedanke verschwindet.

8: Ein Insekt setzt sich auf meine Schläfe.

Das Geräusch zweier sich aneinander reibender Beine hallt in meinen Ohren wider.

7: Ein leichter Schmerz pocht in meinem Kopf, gibt den Takt an und folgt dem Rhythmus des Herzens. 6: Meine Hände ertasten etwas Weiches. Die Hände werden zu Klauen und krallen sich in den Stoff hinein.

5: Das Insekt setzt zum Flug an.

Ich höre die Flügel aufeinanderschlagen.

4: Dein Gesicht erscheint vor meinem geistigen Auge.

Ich versuche es wegzuwischen, doch es brennt sich in meinem Herzen ein.

3: Das Tosen wird stärker. Die Flut reißt mich davon.

2: Das Summen des Insektes füllt den ganzen Raum, bis es mit seinen Geräuschen auf den Rücken in die Nacht entschwindet.

1: Der Strom katapultiert mich zurück.

Ich bin hier. ich bin jetzt. Und öffne die Augen.

Schemenhaft erkenne ich Konturen.

Alles wird klarer und doch presse ich meine Lider wieder aufeinander.

Sterne explodieren in meinen Augen und geben zahlreiche Farben preis.

Erinnerungen werden wach, von denen ich längst glaubte, sie verschüttet und versiegelt zu haben.

Doch das Siegel reißt und gebiert etwas, dass ich über all die Jahre nicht wahrhaben wollte.

Der Stein gerät ins Rollen und die Lawine reißt mich davon. Und dann macht es Klick.

Viele kleine Zahnräder beginnen sich in meinem Kopf ineinander zu verhaken.

Ich höre Metall auf Metall stoßen und das Uhrwerk sich bewegen.

Tick, Tock, Tick, Tock.

Die Zeiger der Uhr halten an und beginnen sich zurückzudrehen.

Erst langsam und dann immer schneller werdend.

Jahre um Jahre ziehen an mir vorbei.

Die Zeit scheint sich zu dehnen wie Kaugummi und ich spüre wie das Uhrwerk langsamer wird, bis es plötzlich anhält.

Das Ticken der Zeiger stoppt und die Uhr beginnt langsam und Stück für Stück wieder nach vorne zu laufen.

Oh, gnädige Zeit.

Danke dafür denke ich noch, doch weiß, dass sich die Zeit irgendwann unerbittlich wieder zurückdrehen wird.

Dieser Moment füllt meinen Körper mit Angst und lässt mein Herz schwerer werden.

Das Uhrwerk rast in Windeseile nach vorne und plötzlich befinde ich mich wieder im Hier und Jetzt.

Und so verbrenne ich die Vergangenheit, um zu vergessen, was gewesen ist.

Doch ich lächele dabei, denn ich weiß, dass das Feuer gut ist.

Es knistert und umhüllt mich mit einer angenehmen Wärme.

Schwarzer Ruß schwirrt durch die Luft und legt sich über meine Hände.

Er zieht sich in langen, schwarzen Schlingen an meinen Fingern entlang und zeichnet ein Muster, welches sich über die ganze Haut ausbreitet.

Ich stehe auf und sehe kleine, zarte Schneeflocken fallen, die anfangs nur leicht, später den ganzen Boden bedecken, bis alles in ein ruhiges Weiß gehüllt Dann werde ich eins mit dem Schnee und bette mich zur Ruhe.

Die Erde fühlt sich warm an und nimmt mich in ihre Arme.

Das Licht bricht sich in meinen Augen und zeigt mir all das, was noch verborgen bleibt.

Bald wird es ausbrechen.